Erkundungsspuren
Über die Jahrhunderte stand die Zeichnung als Kontur gebende Linie im entschiedenen Widerstreit mit der Raum schaffenden Malerei. Während der gezeichnete Umriss durch Trennung Ordnung herstellte, versuchte die Malerei durch diffuse Übergänge eine unverrückbare Einheitlichkeit auf die Leinwand zu bannen.
Zeichnung heute lässt die Malerei außer acht. Sie setzt – und das zeigen die Bilder Elisabeth Czihaks beispielgebend – auf ihre Wesenheit, auf das ihr ausschließlich Eigentümliche, auf ihre Eigenschaften fernab von Diskussionen über Gegenständlichkeit oder Abstraktion.
Die Künstlerin Elisabeth Czihak benützt den Zeichenstift als Erfahrungsinstrument. Als Fühler hinaus in eine Wirklichkeit, die im beständigen Wandel kurz angehalten werden muss, damit man sich ihrer vergewissern kann, damit man hindurch sticht durch eine Oberfläche, die kaum mehr verletzlich erscheint. Der Zeichenstift nimmt eine Spur auf. Eine Spur, die vermittelt zwischen dem Draußen und dem eigenen Körper. Eine Spur, die gleichsam seismografisch das Fremde mit dem Persönlichen verbindet.
Die Erkundungen Elisabeth Czihaks vernachlässigen die Tatsächlichkeit nicht. Das Abbild ist auf den ersten Blick dechiffrierbar, das Rätsel zeigt sich erst nach vielen weiteren Blicken. Ein Rätsel, oder vielmehr ein Geheimnis, welches sich vordergründig aus der Vertrautheit mit dem Werkzeug ergibt, welches letztendlich aber aus einer sensiblen Zwiesprache mit dem Material rührt. Nicht mehr soll beschrieben, also abgebildet werden, sondern es soll aufgezeichnet werden: die Vielfältigkeit eines Augenblicks während sich das Auge auf das Sujet konzentriert; die Unbestimmtheit einer Atmosphäre, die sich verschränkt aus subjektiven Emotionen und Ahnungen über das Draußen.
Elisabeth Czihak verdichtet diese Momente höchst präzise. Und schafft so meisterliche, weil nicht vorschnell erkennbare, Schichten der Wirklichkeit sondierende Zeichnungen.
Gottfried Goiginger, 2004